Presse Artikel im Alster Magazin November 2023
ALSTER MAGAZIN November 2023
KÜNSTLER, VISIONÄR UND HAMBURGER
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Jean-Pierre Kunkel aus Rotherbaum ist einer der erfolgreichsten Maler und Werbeillustratoren Hamburgs. Seine fotorealistischen Werke sind von photogeshopten Hochglanz Fotografien kaum zu unterscheiden. Wir durften einen Blick in seine inspirierende Vergangenheit und sein kreatives Schaffen werfen.
KÜNSTLER, VISIONÄR UND HAMBURGER
ALSTER MAGAZIN: Wann und wie haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass Ihre Leidenschaft der Kunst obliegt?
Jean-Pierre Kunkel: Ich bin in Frankreich geboren und kam mit 7
Jahren nach Deutschland. Bis dato sprach ich nur französisch. So konnte
ich anfangs vielleicht nicht einwandfrei kommunizieren – wobei ich Deutsch dann ziemlich schnell lernte – aber: Ich konnte zeichnen. Das haben die Mitschüler:innen mitbekommen und fanden es toll. Ich denke, an diesem Punkt habe ich gemerkt, dass das Malen eine Art Kommunikationsmittel sein kann. So ist es vermutlich auf eine gewisse Weise eine in mir tief verwurzelte Selbstverständlichkeit, dass ich einen Beruf ausübe, indem ich kreativ sein kann.
Sie hatten die Ehre, Ende der 70er Jahre dem weltberühmten Grafik-Designer, Fotografen und Kreativdirektor Jean-Paul Goude in New York zu assistieren. Inwiefern prägte diese Zeit Ihren Weg? Die Zusammenarbeit war unwahrscheinlich erkenntnisreich. Vor 40 Jahren hatte die Werbeillustration noch einen ganz besonderen Nimbus. Was heute mit Photoshop konstruiert werden kann, war früher eine hohe Kunst. Jean- Paul Goude war seiner Zeit voraus. Er hatte eine ganz eigene, revolutionäre Weise, die Optimierung der Realität zu dem Gegenstand seiner Kunst zu machen. Seine Bilder sind fantastisch. Ich wollte ihn unbedingt in persona kennenlernen. Also brachte mich meine Agentin mit ihm in Kontakt. Kurz darauf flog ich nach New York und erlebte das Privileg, ihm nicht nur assistieren zu dürfen, sondern auch in seinem Gästezimmer zu schlafen und gänzlich in seine Welt einzutauchen. Ich lernte seine damalige Lebenspart- nerin Grace Jones kennen und habe sie sogar fotografisch abgelichtet. Sie stand Jean-Pierre Goude in einem seiner berühmtesten Werke Modell, bei
dem er seine eigene, für damalige Zeiten, Photoshop-ähnliche Technik anwendete. Zu sehen, wie er arbeitet, war hochinteressant. Er inspirierte mich immens und hatte einen sehr großen Einfluss auf meine weitere Entwicklung. Dieser Zeit obliegt auch der Ursprung meiner enormen Begeisterung für fotorealistische, optimierte Darstellungen.
Mit der Zeit eigneten Sie sich ein großes Repertoire an unterschiedlichen Techniken an. Welche nutzen Sie für Ihre Werke am liebsten? Im Laufe der Jahrzehnte habe ich dreimal den Stil gewechselt. Öl auf Leinwand, Acryl auf Zeichenkarton, Airbrush. Jede Technik hat ihren Reiz. Doch Öl auf Leinwand ist zweifellos meine Lieblingstechnik. Meiner Meinung nach hat dieser Stil am meisten Seele. Jedes Objekt wirkt lebendiger und organische Motive lassen sich weitaus besser darstellen. Besonders für fotorealistische Kompositionen ist es am sinnvollsten. Farbintensitäten, Lichtreflexe und Oberflächenstrukturen wirken noch realistischer. Außerdem ist es ein ganz anderes Malerlebnis.
Das Meer – insbesondere die tosenden Wellen – ist oft Gegenstand Ihrer Werke. Sie scheinen eine besondere Verbindung zu dieser Naturgewalt zu haben. Können Sie uns mehr darüber erzählen? Ich war früher nie am Meer. Tatsächlich war ich sogar wasserscheu. Doch für meine Frau war diese Umgebung ein fester Bestandteil ihres Lebens. Sie war schon immer gerne auf Sylt und nahm mich eines Tages mit. Da entdeckte ich meine Faszination für die Wellen – für diese besondere Form und Farbigkeit, die ich dann in meinen Bildern festhielt. Das Meer ist nie gleich. Jedes Wellenrauschen ist eine Momentaufnahme, die ich einfange. Irgendwann realisierte ich jedoch, dass mir das mediterrane Wasser am besten gefällt. Es ist klarer – wird anders reflektiert. So entstand die Serie Wellen. Gleichzeitig arbeite ich auch immer an meiner Pool-Serie.
Gibt es unter Ihren Werken ein Bild, das besonders viel in Ihnen auslöst? Definitiv. In unserem Apartment ziert ein abstraktes Werk die Bürowand meiner Frau. Dieses Bild habe ich in einer für mich sehr aufwühlenden Zeit angefertigt. Meine Frau war gerade im Urlaub und wir erwarteten unser zweites Kind. Ich sah mich also mit noch mehr Verantwortung konfrontiert und spürte den Drang, meine Emotionen auf abstrakte Weise zum Ausdruck zu bringen. Ich war wie getrieben – gefangen in der expressionistischen Darstellung meines Empfindens. So kombinierte ich Farben und Formen, die meine Tendenz zur Übertreibung erahnen ließen und mich beim Betrachten des Bildes fast einschüchtern. Das Werk umweht eine Bedrohlichkeit, die das Abbild dieser prägnanten Zeit ist. Irgendwann spürte ich, dass ich aus diesem exzessiven Aufruhr ausbrechen musste. Ich war wie im Bann. Das ist die Gefahr bei abstrakter Kunst. Der Raum für Emotionen ist zu groß.
Sie sind ein überragender Künstler. Doch die Branche ist gezeichnet von Konkurrenz und Schnelllebigkeit. Wie halten Sie Ihren Erfolg aufrecht? Ich denke, das Geheimrezept ist, sich immer wieder aufs Neue selbst zu hinterfragen und die eigene Kunst in selbstkritischer Haltung zu betrachten. Das Streben nach meiner optimalen Sichtweise ist die Basis meiner Kunst. Die hyperrealistische, präzise Darstellung entspringt nämlich meinem Faible für die Optimierung. Meiner Meinung nach ist Selbstreflexion einer der wichtigsten Punkte, um sich in seiner Arbeit weiterzuentwickeln und nicht stehen zu bleiben.
Empfinden Sie manchmal einen Anflug von Langeweile oder eine Art Müdigkeit über die immer gleiche Tätigkeit? Mir wird nie langweilig. Die Kunst bleibt immer interessant. Das Spektrum des zu Entdeckenden ist riesengroß und ich experimentiere gerne. Für mich war die Malerei schon immer ein unumgänglicher Teil meines Lebens. Es entwickelte sich wie von selbst zu meiner Berufung, von der ich nie eine Auszeit brauche und der ich ein Leben lang nachgehen möchte. Ich kann gar nicht anders. Wenn ich in den Urlaub fahre – wozu mich meine Frau beinahe zwingen muss – werde ich jedes Mal krank. Vermutlich weil mich das Gefühl, auf eine Art und Weise aus der Kreativität gerissen zu werden, belastet. Dann nämlich kommt eine Langeweile in mir auf, die ich nicht genießen kann. Um dies zu umgehen, habe ich irgendwann angefangen, nie mehr ohne Equipment zu reisen, damit ich auch im Urlaub fotografieren und malen kann.